vor 100 Jahren:  „Die Nibelungen“  Teil 2

05.05.2024

D, 1922/24 Regie: Fritz Lang Drehbuch: Thea von Harbou Kamera: Carl Hoffmann, Günther Rittau, Walter Ruttmann Ausstattung: Otto Hunte, Erich Kettelhut, Karl Vollbrecht Produzent: Decla-Bioscope AG Darsteller: Margarethe Schöne Theodor Loos Hans Adalbert Schlettow Rudolf Klein-Rogge Georg John Länge: 148’ Format: Normalbild, Schwarzweiß


Langs Programmatik: „Sollte der Nibelungenfilm aber zu einer neuen Form des alten Epos werden, so war es notwendig, einen Stil für ihn zu finden, der die Idee des Werkes kristallen ins Licht hob. Die Majestät und fabelhafte Buntheit deutscher Dome mußte ihm einen Hauch verleihen; daneben die unsäglich schlichte Schönheit des Volksliedes. Es galt, die gespenstische Dämmerung von Nebelwiesen, wo Unholde hausen und Drachen sich träge zum Wasser wälzen - das letzte Gemunkel eines Natur-Märchen-Glaubens - mit der tiefen Inbrunst ernster Gebete im Dom zu vereinen, das Geheimnis der Urelemente mit dem Geheimnis des Weihrauchs." 

Zwischen den Urelementen und dem Weihrauch liegt aber noch das Flammenmeer von KRIEMHILDS RACHE. Das komplizierte Wechselspiel zwischen Mythos und Geschichte wird im zweiten Teil der NIBELUNGEN noch durch ein geopolitisches Moment verschärft. Der Hunnenkönig Etzel thront als „Herr der Erde" über seinem Weltreich, und für die Nachgeborenen ist es kaum denkbar, bei Rudolf Klein-Rogges Spiel nicht an das Inferno zu denken, das er zuvor als Doktor Mabuse im Sinn hatte. Für den NIBELUNGEN-Film sind die Hunnen ein Gewinn: 

Sie bewohnen aufgrund der ihnen zugeordneten Primitivität eine Welt, die der Siegfrieds im ersten Teil korrespondiert. Männer in Fellschürzen tanzen um Lagerfeuer: Am Hof von Worms, wo selbst die Kronen noch wie Festungen gestaltet sind, wäre dies undenkbar. Etzel aber ist ein Schamane, er hält zusammen, was nicht zusammenpasst, zum Beispiel Westeuropa mit dem Orient durch seine starke Hand. Aber selbst Etzel muss sich schließlich ergeben, er wird zum Objekt in einem Plan, den Kriemhild wie eine Göttin beschließt: Sie steht fast durchwegs frontal zur Kamera und bewegt sich kaum. Nur ihre Augen sind hervorgehoben. Sie wirkt allerdings nicht durch Hypnose, das wäre zu psychologisch gedacht, sondern durch einen mythisch begriffenen Willen, dem filmisch Ausdruck zu verleihen Margarethe Schön wenig mehr Möglichkeiten hatte, als schneidende Blicke zu werfen.

Dieser statuarischen Darbietung kontrastieren die vielen Massenbewegungen dieses zweiten Teils, auf den Kracauers Vorwurf der Ornamentalisierung viel weniger zutrifft, sodass die Frage nahe liegt, ob in Langs Vision nicht von Beginn an beide Facetten enthalten waren: Der Tod als Erstarrung und der Tod als Gemetzel. Tom Gunning scheut sich nicht, von einem „holocaust" zu sprechen bei dem, was an Zerstörungswut zu sehen ist. DIE NIBELUNGEN sind, wie alle Mythenfilme des deutschen Lang, Ausdruck einer euphorischen Überschätzung des Kinos und zutiefst ambivalent.


vor 100 Jahren:  „Die Nibelungen“ Teil 2

Die Nibelungen Teil 2 Stummfilm von Fritz Lang
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